Berufliches
Tja, das Studium war 1995 endlich zu Ende; hat ja auch lang genug gedauert, werden viele jetzt sagen.
Das stimmt. Den Luxus, mehr als 10 Semester zu studieren, hat nicht jeder, und ich denke, viele von jenen, die mir meine Studienzeit vorhalten, werden auch sagen:"Naja, der Vater war Arzt, die hatten Geld genug und Sohnemann hatte dadurch 'n schönes Polster."
Ja, auch das stimmt. Die Studiengebühren von damals lagen bei etwa 160,-DM pro Semester und da ich nicht, wie so viele andere Komilitonen, auch anderer Fakultät, in den Semesterferien regelmäßig jobten, um Studiengebühren, Wohnung, Auto, Versicherung(en) und Lebensunterhalt zu finanzieren, hatte ich es schon, das Polster, wofür ich meinem Vater noch heute, fast 20 Jahre nach seinem Tod, sehr dankbar bin. Doch lange Rede, kurzer Sinn - im Jahre 1995 war die (Hoch)schulzeit endgültig vorbei und ich mußte von nun an selbst für mich sorgen. Immerhin war ich da ja auch schon 34 (!) und viele meiner damaligen sog. Freunde und Bekannten waren in der Tat sowohl neidisch auf mein Polster, aber auch schadenfroh bzgl. meines späten Einstieges ins echte Berufsleben, denn ein Student ist ja kein Berufstätiger und so gönnten sie mir die Absagen, die ich von potentiellen Stellen zurück erhielt.
Aber nicht lange nach Studiumabschluß ging's erstaunlich schnell weiter, und zwar mit einer Stelle als Gruppenbetreuer im Internatsbetrieb "Institut Schloß Herdringen", einem privaten Gymnasium in Arnsberg, eine Stelle, die allerdings nur für 1 Jahr befristet war, aber immerhin was für den Anfang besser als gar nichts.
Ein Jahr später (Herbst 1996) bekam ich den zweiten befristeten Job beim Jugendamt der Stadt Dortmund in einem "Haus der offenen Tür"(HOT) in einem sozialen Brennpunkt, nämlich mitten in einer "gutbürgerlichen" Siedlung Westrichs, sozusagen keine 5 Fußminuten von zuhause entfernt.
Wiederum ein Jahr später und auch wieder nur für 1 Jahr wurde ich Mitarbeiter der Evangelischen Kirchengemeinde Unna im Schülercafé des "Martin-Luther-Hauses".
Von 1998 bis Herbst 1999 führte ich eine psychosoziale Einzelbetreuung bei der Heilpädagogischen Ambulanz Marl im Auftrag des Jugendamtes der Stadt durch.
Daran anschließend bot sich mir eine einjährige Maßnahme beim "Institut für Gerontologische Weiterbildung (IGW)" in Castrop-Rauxel an, die mich nach erfolgreichem Abschluß zum Altentherapeuten qualifizierte. Somit konnte man mich auch auf ältere und alte Menschen "loslassen", eine Entscheidung, von der ich seinerzeit glaubte, sie sei ein großer Vorteil für mich, da ich nun breitfächeriger suchen konnte, doch die Realität holte mich schnell wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Ein Diplom-Pädagoge als Altentherapeut macht sich zwar gut auf Papier oder als Aushängeschild, kostet jedoch viel zu viel (damals immerhin Anspruch auf BAT II) und ist damit uninteressant. Schließlich hätten die entsprechenden Tätigkeiten auch von Streetworkern oder Erziehern durchgeführt werden können, und die verursachen nur einen Bruchteil der Kosten.
Daher war ich dann nach etlichen Vorstellungsgesprächen ziemlich desillusioniert und kümmerte mich lieber wieder um jüngere Menschen. Dies gelang mir dann auch wieder ab September 2000 beim "Sozialpädagogischen Bildungsring Dortmund/Unna e.V. (SPB)". Aus innerbetrieblichen Gründen (deutliche Meinungsverschiedenheiten und Mobbing) wurde das Angestelltenverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen nach 6 Monaten aufgelöst.
Dadurch und danach war ich dermaßen "fertig" mit der Welt, daß ich zunächst eine Auszeit benötigte, doch leider gibt's für die Zeit, die Gnadenlose und Unbarmherzige, die trotz allem immer weiter läuft, keine Auszeit. Daher ergriff ich im Februar 2002 den kleinen Strohhalm, der sich mir bot, und wurde Aushilfsangestellter der Bundesknappschaft Bochum für das "Modellprojekt Akupunktur", eine Stelle bei einer Krankenkasse also, die weder etwas mit Jugendlichen oder älteren Menschen zu tun hatte, noch sonstwie mein Studium betraf. Aber, wie heißt es so schön: "In der Not frißt der Teufel Fliegen". Die Alternative dazu hätte Arbeitslosigkeit geheißen, insofern nahm ich an und ließ mich auf das neue Spiel ein.
Naja, meine pädagogischen Ansichten waren ja ganz nett, für die Akquisation von Ärzten für o.g. Modellvorhaben waren sie allerdings eher kontraproduktiv. "Jedem seine Chancen", war eine "meiner" Thesen, nun mußte ich jedoch exakt das Gegenteil einfordern, nämlich nach strengen Richtlinien auswählen und die ausschließen, die nicht ins Schema paßten, da sie bestimmte Kriterien und Standards nicht erfüllten. Eine Vorgehensweise, die so gar nicht meinem pädagogischen Idealbild entsprach und für die ich mir, gemeinsam mit meinen Teamkollegen, oft Ärger einhandelte (verbale Wutausbrüche von interessierten, aber abgelehnten Ärzten, sowie Beleidigungen und Androhungen). Ich muß allerdings (zu meiner Schande) eingestehen, daß ich diese Machtposition, nämlich das Wissen, am längeren Hebel zu sitzen, im Laufe der Zeit mehr und mehr genoß, ja, es bereitete mir oft sichtbares Vergnügen, sog. Neunmalklugen eine oder auch mehrere Abfuhren zu erteilen. Auf der anderen Seite hatte ich auch oft Versicherte, also Patienten an der Strippe, die mir ihr Leid klagten und für die ich dann ein verständnisvolles pädagogisches, weil mitfühlendes Ohr zeigen konnte, was natürlich für eine Krankenversicherung ein ganz wesentlicher Faktor ist, das Binden und Halten der Versicherten. Insofern überwog eigentlich keine Waagschale bei dieser Tätigkeit, die immerhin 40 Monate dauerte und dann, nach 2maliger Verlängerung, aus vertragsrechtlichen Gründen (Kettenverträge) Ende Juni 2005 vom Arbeitgeber beendet wurde.
Zwei Monate später erfuhr ich von einem früheren Arbeitskollegen, daß mein letzter Arbeitgeber für ein paar Monate Aushilfskräfte bei der "Minijobzentrale" in Essen-Stadtmitte suchte, woraufhin ich dort dann nochmals für 3 Monate einen anspruchslosen, aber nervigen Bürojob hatte.
Ab dem 01.01.2006 war ich dann (mal) wieder auf mich allein gestellt, soll heißen, ich suchte und suchte und....bis der Sommer kam und ich meine Fühler mal auf andere Gebiete (geographisch) ausbreiten wollte. So fuhr ich Mitte July an die Ostsee nach Grömitz. Immerhin kannte ich auch dort einige mir zusagende Stellen und hoffte, vielleicht dort (m)ein Glück zu finden. Darüberhinaus war's ja Sommer, es war angenehm warm und so dachte ich, ich könnte das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Ich weiß es noch heute. Ich kam an einem Sonntag nach ca. 6 Stunden Fahrzeit dort gegen abend an, war froh, die Strecke hinter mich gebracht zu haben, hatte alle "Mitbringsel" von Zuhause aus Koffern und Taschen ausgepackt und verstaut und sehnte mich eigentlich nur nach Ruhe, 'ner Tasse Tee, 'nem kleinen Abendsnack und der Koje unterm Dach. Es lief auch bis dahin ganz nach Plan. Sogar die Nacht war noch okay.
Am nächsten Morgen wurde ich vom Telephon geweckt. Die Frau am anderen Ende der Leitung war meine Mutter. Das wäre ja nichts Besonderes gewesen, doch ursprünglich hatte ich nicht vor, vor 10 Uhr aufzustehen und da war es gerade mal kurz nach 8. Naja, jedenfalls machte sie mir klar, daß sie von einer ihrer Bekannten erfahren hätte, die Kirche Bochum suchte noch schnellstmöglichst nach einem Mitarbeiter für das Schulreferat. Naaaa? Okay, also, Sie können es sich denken....wieder die Koffer und Taschen.....zapp und wusch ab auf die Autobahn und die 450 Kilometer wieder zurück. Zuhause angekommen ganz schnell alle Bewerbungsunterlagen zusammengestellt und am nächsten Tag persönlich abgegeben. Und daaahann?
Tja, es dauerte keine 3 Tage und ich wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, die Konditionen wurden erörtert und einen Tag später wurde ich dann zum Angestellten beim Schulreferat des "Evangelischen Kirchenkreises Bochum". Das ist nun über 4 Jahre her, nach wie vor bin ich in der Schulbetreuung tätig und kümmere mich, zusammen mit vielen sehr netten Kolleginnen, um Hausaufgabenbetreuung und sinnvolle Freizeitgestaltung für die Kids an Grundschulen und Gymnasien in Bochum und Herne.
Soweit erst einmal zum Thema "Berufliches". Ich bin mir sicher, daß mir auch hier noch einige Anmerkungen einfallen werden.